Tägliche Todesdrohungen

Von Redaktion · · 2010/10

Die Arbeit der Opposition wird immer schwieriger in Burundi. Der Sänger und politische Aktivist Eddy Munezero wurde ermordet. Alexis Sinduhije, Gründer der burundischen Oppositionspartei MSD, floh aus seiner Heimat. Keine Einzelfälle, berichtet Iris Anna Kötter.

Die Zahl 13, so glauben viele, bringt Unglück. Am 13. Mai dieses Jahres macht sich Eddy Munezero auf den Weg zu einer Wahlveranstaltung. Der 27-jährige Musiker engagiert sich für die Partei MSD (Bewegung für Demokratie und Sicherheit), die der bekannte Radiojournalist Alexis Sinduhije in Burundi ins Leben gerufen hat. Eddy will ein Benefizkonzert für seine Partei geben, obwohl er vor dem Auftritt mit dem Tode bedroht wurde – wieder einmal.

„Pour un Burundi meilleur" – für ein besseres Burundi, singt Eddy die ganze Nacht. Als er sich müde auf den Nachhauseweg macht, ist er noch ganz aufgewühlt von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die er mit vielen jungen Menschen in Burundi teilt, die im Mai noch an freie Wahlen glaubten. Wenige Schritte vor seinem Haus in Nyakabiga wird er mit mehreren Schüssen ermordet.

„Ich bin so oft mit dem Tod bedroht worden, dass ich es gar nicht mehr zählen kann“, erklärt der Vorsitzende der MSD Alexis Sinduhije. Er floh nach Europa. Dabei ist gerade Sinduhije dafür bekannt, dass er nicht so schnell aufgibt. „Der Mann hat Mut!“, bewunderte die Pulitzerpreis-Gewinnerin Samantha Power seine Kühnheit. Bekannt wurde der ehemalige Journalist Sinduhije vor allem, als er 2001 das unabhängige Radio Publique Africaine gegründet hat, um die Beziehungen zwischen Hutu und Tutsi zu verbessern. Für sein Engagement erhielt er 2004 den „International Press Freedom Award“. 2008 nahm er einen Platz in der „Time 100“ ein, der Liste des Time Magazine mit den einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt.

Seitdem Sinduhije im Dezember 2007 die Partei MSD gründete, verging kaum eine Woche, in der er keinen Repressalien ausgesetzt war. Am 3. November 2008 wurden Sinduhije und etwa 40 weitere Parteimitglieder verhaftet. Die Anklage lautete auf „Abhaltung einer illegalen Versammlung“ und „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“. Die MSD- Parteimitglieder kamen am nächsten Tag wieder frei. Sinduhijes Haus wurde am Tag nach der Verhaftung durchsucht. Aufgrund der dort gefundenen Dokumente wurde ihm Beleidigung des Präsidenten Pierre Nkurunziza vorgeworfen. Anfang März 2009 wurde Sinduhije aufgrund internationaler Proteste und durch eine Eilaktion von Amnesty International wieder auf freien Fuß gesetzt. Die meisten verhafteten Oppositionellen wie Husssein Radjabu sind immer noch im Gefängnis. Der ehemalige Generalsekretär der regierenden Partei CNDD-FDD (Nationalkomitee zur Verteidigung der Demokratie/Kräfte zur Verteidigung der Demokratie) wurde der Beleidigung des Präsidenten und einer geplanten Rebellion schuldig gesprochen. Inzwischen haben alle Führer der Opposition auf „freiem Fuß“ das Land verlassen, weil sie um ihr Leben fürchten.

Eddy Munezero ist kein Einzelfall. Es gibt viele ungeklärte Morde in der Hauptstadt Bujumbura, aber vor allem in den Dörfern der abgelegenen Provinzen. Vor, während und nach der Wahlperiode, die am 21. Mai mit der Kommunalwahl eröffnet wurde, wurden vermehrt Menschen ermordet. Von den Tätern fehlt, laut Polizei, jede Spur. Viele der Ermordeten haben eins gemeinsam: Sie waren Aktivistinnen und Aktivisten, die sich in einer der zwölf Oppositionsparteien in Burundi engagierten.

Schon am 24. März hatte die burundische Opposition darauf hingewiesen, dass die regierende CNDD-FDD einen „makabren Plan der Wahlfälschung“ verfolgt und ihre Jugendmiliz „Imbonerakure“ (Die Weitsichtigen), die Hand in Hand mit der Polizei arbeitet, zur Einschüchterung ihrer politischen Gegner einsetzt. Die EU sandte WahlbeobachterInnen. „Die Beobachter haben gesehen, dass die Wahlen teilweise manipuliert waren. Sie haben das in ihrem Bericht nur nicht deutlich ausgedrückt – um den Frieden zu wahren“, ist Alexis Sinduhije überzeugt. „Bis die Wahlbeobachter dann ihren Fehler eingesehen haben, war es schon zu spät.“

Alexis Sinduhije hat Visionen für sein Land: der Kampf gegen die Korruption, die Veränderung der Strukturen und die Demokratisierung in allen Bereichen. Seiner Meinung nach sei Korruption ganz leicht zu bekämpfen. Man müsse nur von oben anfangen. „Wenn es oben gut geht, dann auch unten“, sagt Sinduhije zuversichtlich. Dazu müsse er natürlich gewählter Abgeordneter oder sogar Präsident in Burundi werden. Dabei setzt er vor allem auf die Unterstützung der jungen Generation, die einen echten Wandel im Afrika der Großen Seen will und der alten politischen Strukturen müde ist.

In einem kürzlich erschienenen Artikel im EastAfrican kritisiert Sinduhije den „alten Männerverein East African Community“. Als „schlechte Verlierer“ bezeichnet Kenyas Außenminister Moses Wetangula die Opposition in Burundi und beteuert, dass die EAC alles tun werde, um den Demokratisierungsprozess voranzutreiben. „Welche Demokratie?“ fragt sich Alexis Sinduhije. „Burundi braucht ein politisches Klima ohne Angst, in der sich eine lebendige Demokratie entwickeln kann. Die Regierung in Burundi muss dazu gezwungen werden, alle politischen Gefangenen aus den Gefängnissen zu entlassen und die Verfolgung und Einschüchterung von Oppositionellen zu stoppen. Dazu muss die EAC ihren Einfluss geltend machen!“

Warum musste mein Eddy sterben, fragt sich dessen Mutter Leokadei Ndayishimiye noch immer und sucht nach den Tätern. Nur wenige Tage vor seiner Ermordung war ihr Sohn von Vizepräsident Charles Bahizi von der regierenden Partei vorgeladen worden. Der bekannte Sänger hätte für sie Wahlwerbung machen sollen und nicht für die MSD, die Bewegung, die der Regierung wegen ihrer Popularität ein Dorn im Auge ist. Seit Eddy mit seiner Band „Bagumyabanga“ Karriere gemacht hatte, wurde von Seiten der Regierung immer wieder Druck auf die Künstler ausgeübt. Einige Bandmitglieder bekamen es mit der Angst zu tun und verließen die Band. Eddy gründete eine neue Gruppe, die „Intatana“(Die Unspaltbaren). „Dann fielen die Todesdrohungen wie Regen auf ihn nieder“, beschreibt Leokadei Ndayishimiye die Zeit vor Eddys Ermordung.

Doch selbst nach seinem Tod konnte Eddy nicht in Frieden ruhen. Bei seiner Beerdigung ließ der Präsident Nkurunziza vor der katholischen Kathedrale Regina Mundi Tränengas in die Trauergemeinde in Bujumbura schießen. „Mein Sohn wollte nicht den alten Hass dieser Ungeheuer in Burundi weitertragen. Dafür hat er mit dem Leben bezahlt“, erklärt seine Mutter unter Tränen.

Mit Eddy und den anderen Opfern der Wahlperiode wurde die Demokratie in Burundi zu Grabe getragen. Alexis Sinduhije sieht diese Entwicklung mit großem Bedauern und befürchtet: „Gerade die Jungen, die gesamte Bevölkerung in Burundi ist bereit, für die Demokratie zu kämpfen. Sie werden sich mit der derzeitigen Situation nicht abfinden. Ich befürchte, dass der Weg dann wieder zurückgeht – zu den Zeiten des Bürgerkriegs.“

Iris Anna Kötter studierte in Berlin Sozialwissenschaften und absolvierte in Damaskus ein Postgraduate-Studium. Sie arbeitet als Redakteurin und freie Journalistin für „Die Welt“, „Financial Times“ und andere Medien.

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